Marcel Seer
13. August 2024

Klinisches Datenmanagement in der Cloud

Das klinische Datenmanagement befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel: Während papierbasierte und lokale elektronische Systeme nach wie vor vorherrschen, zwingt die Einführung der elektronischen Patientenakte für Alle ab 2025, die Vernetzung aller Leistungserbringer über die Telematikinfrastruktur, die fortschreitende Digitalisierung der Arztpraxen sowie neue Vorgaben zur Datenerfassung, wie CROMS, PROMS und PREMS im Rahmen der Krankenhausreform, Kliniken dazu, sich intensiv mit Cloud-Technologien zur Speicherung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten auseinanderzusetzen. Für Entscheidungsträger in Kliniken ist es daher unerlässlich, die Herausforderungen und Chancen dieser Entwicklung zu verstehen. Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Ausgangslage und Chancen zu beleuchten und konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis zu formulieren.

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Ausgangslage

Während viele Branchen mittlerweile den Übergang von automatisierten Prozessen hin zu KI-gestützten Systemen vollziehen, dominieren im deutschen Gesundheitswesen nach wie vor traditionelle Methoden wie Papierdokumentation, Faxübertragungen und mündliche Kommunikation den Austausch patientenbezogener Informationen. Laut Branchenmedien benötigen Ärztinnen und Ärzte täglich mehr als 40 % ihrer Arbeitszeit, um Informationen handschriftlich oder in veralteten, nicht vernetzten und nicht mobilfähigen Systemen zu dokumentieren.

Im Jahr 2014 argumentierte der renommierte Harvard-Professor Michael Porter in seiner Theorie des Value-Based Healthcare (VBHC), dass der Patientennutzen nicht proportional zu den zusätzlichen Mitteln ansteigt, die in das Gesundheitswesen investiert werden. Porter schlug vor und bewies in verschiedenen Modellregionen, dass der Fokus statt auf höheren Investitionen, auf die Messung und Erfüllung von Qualitätsmerkmalen (PROMS, PREMS, CROMS) während der Behandlung verlagert werden sollte. Und: anstatt Patienten in verschiedenen Phasen von unterschiedlichen Fachärzten behandeln zu lassen, sollten die Disziplinen in sogenannten Integrated Practice Units (IPUs) gebündelt werden, um Informationen effizient auszutauschen und die Behandlungsergebnisse zu verbessern.

Dem State of Health Report der EU aus dem Jahr 2023 zufolge zeichnet sich das deutsche Gesundheitssystem im EU-Vergleich zwar durch den niedrigsten ungedeckten medizinischen Bedarf, eine besonders hohe Anzahl von Ärzten und Pflegekräften sowie einen großen Umfang an Gesundheitsleistungen aus, aber gleichzeitig liegt es in Bezug auf Lebenserwartung, vermeidbare Krankenhauseinweisungen und vermeidbare Sterblichkeit unter dem EU-Durchschnitt. Trotz der Tatsache, dass Deutschland laut dem Report 1,9 % mehr als der EU-Durchschnitt für die Gesundheitsversorgung ausgibt – nämlich 12,9 % seines BIP – gelingt es offenbar nicht, die Ressourcen des Systems optimal zu nutzen und den maximalen Patientennutzen zu erzielen.

Man könnte argumentieren, dass die Einführung der Telematikinfrastruktur mit Anwendungen wie ePA und eRezept, die Vereinheitlichung der medizinischen Datenerfassung nach dem FHIR Standard sowie die Mechanismen der Krankenhausreform, die Krankenhäuser dazu anregen, qualitative Behandlungsmerkmale zu erfassen und zu übertreffen, Schritte Richtung Datenaustausch und Ressourcenallokation sind.

Allerdings ist die TI primär ein Netzwerk und FHIR ein Datenmodell. Weder die ePA noch die klassische Klink IT (das KIS System) sind ein skalierendes Front-end. Sie sind nicht dazu gedacht, Kliniken im Finden, Verstehen, Bewerten, Anwenden und Kommunizieren von Gesundheitsinformationen zu unterstützen.

Gleichzeitig gibt es keine Ausreden: Während die Reformgesetze mit Hybrid-DRGs, Vorhaltepauschale und Performance-Based Payment bereits Vorgaben machen, wie Daten die Einnahmenseite der Kliniken beeinflussen werden, also sozusagen schon die skalierende Erfassung voraussetzen, zwingt die NIS-2-Richtlinie sogar kleine und mittlere Kliniken zur Modernisierung ihrer IT ab 2025. Andernfalls haften die Geschäftsführer persönlich.

Höchste Zeit also, einen Blick auf moderne Cloud Technologie zu werfen.

Chancen der Cloud-basierten Datenverarbeitung

  • Datenschutz und Datensicherheit

Für etablierte, internationale Anbieter ist die Verarbeitung von Gesundheitsdaten in der Cloud mittlerweile ein erprobtes Geschäftsfeld. Salesforce ist sich der kritischen Bedeutung von Datenschutz und Datensicherheit im Gesundheitswesen bewusst und hat daher eine umfassende Strategie entwickelt, um den Schutz von Patientendaten zu gewährleisten. Diese Strategie basiert auf global anerkannten Standards und wird kontinuierlich weiterentwickelt, um den sich verändernden Bedrohungen und gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.

* Meint die Verschlüsselung auf Feldebene ** Kein Anbieter “liefert” DSGVO-Konformität aber gute Anbieter liefern besonders ausgereifte Werkzeuge oder Konzepte, um Organisationen die DSGVO konforme Datenhaltung und Verarbeitung zu vereinfachen *** Bspw. hardware- oder cachebasierte Verschlüsselung

  • Interoperabilität und Standardisierung

Der FHIR-Standard (Fast Healthcare Interoperability Resources) hat sich als bedeutender Fortschritt in der Standardisierung medizinischer Daten etabliert. Er ermöglicht den strukturierten und standardisierten Austausch von Gesundheitsinformationen, insbesondere in der klinischen Dokumentation und bei elektronischen Patientenakten.

Interoperabilität im Gesundheitswesen bedeutet weit mehr als den bloßen Austausch von FHIR-konformen Daten. Sie umfasst die Fähigkeit, sämtliche relevante Gesundheitsdaten – einschließlich medizinischer, administrativer, sozialer, genetischer und verhaltensbezogener Informationen – systemübergreifend zu integrieren, zu verstehen und effektiv zu nutzen, unabhängig von ihrer Quelle oder ihrem Entstehungsort (z.B. Wearables). Entscheidend ist nicht nur der Empfang und Versand spezifischer Daten, sondern ihre sinnvolle Interpretation und Anwendung im richtigen Kontext, um fundierte klinische und administrative Entscheidungen zu ermöglichen.

Das umfasst insbesondere Fähigkeiten wie:

  • Finden: Die Fähigkeit, relevante Gesundheitsdaten aus verschiedenen Quellen und Systemen zu identifizieren und zu extrahieren.
  • Verstehen: Die Kompetenz, die Bedeutung und den Kontext der Daten zu interpretieren, um fundierte klinische und administrative Entscheidungen zu treffen.
  • Bewerten: Die Analyse und Beurteilung der Datenqualität und ihrer Relevanz für spezifische klinische oder organisatorische Fragestellungen.
  • Anwenden: Die gezielte Nutzung der Informationen zur Optimierung von Behandlungsplänen, zur personalisierten Medizin und zur Verbesserung der klinischen Abläufe.
  • Kommunizieren: Die effektive und verständliche Weitergabe der relevanten Informationen an Patienten, Angehörige und das medizinische Fachpersonal.

Dazu bedarf es einer Engagement-Plattform, die in der Lage ist, verschiedene Datenmodelle und Systeme zu integrieren und die beschriebenen Fähigkeiten bereitzustellen. Salesforce bietet mit seiner Health Cloud eine solche Plattform, die speziell für das Gesundheitswesen entwickelt wurde.

Salesforce ermöglicht es Kliniken, die Einschränkungen herkömmlicher Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) zu überwinden und das FHIR-Datenmodell durch zusätzliche Funktionen wie Beziehungsmanagement und künstliche Intelligenz (KI) zu erweitern. Durch die Integration unterschiedlicher Datenquellen und die Bereitstellung von Werkzeugen zur Segmentierung, Analyse und Kommunikation können Kliniken eine personalisierte und datengestützte Medizin realisieren.

Mit Salesforce können Daten aus beliebigen Quellsystemen durch API-Anbindungen bereitgestellt und die Interoperabilität über die Grenzen einzelner Systeme hinaus erweitert werden. Gleichzeitig sorgt die Plattform für eine hohe Skalierbarkeit und Zukunftssicherheit durch regelmäßige Updates und umfassende Sicherheitszertifizierungen wie C5 und ISO 27001.

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Fallbeispiele und Best Practices

Aber was bedeutet das für die Praxis?

Ein Krankenhaus hat sich dazu entschieden, die Qualität seiner Patientenversorgung zu verbessern, indem es gezielt Clinician-Reported Outcome Measures (CROMs) in den klinischen Entscheidungsprozess integriert.

Diese CROMs umfassen eine Vielzahl von Daten, die von Ärzten, Pflegepersonal und Therapeuten im Rahmen der Patientenbehandlung dokumentiert werden, einschließlich klinischer Beobachtungen, Diagnosen, Behandlungsverläufen und Therapieergebnissen.

Eine 68-jährige Patientin, Frau Müller, wurde nach einer Hüftoperation im Krankenhaus aufgenommen. Im Verlauf ihrer stationären Behandlung werden durch das Pflegepersonal und die behandelnden Ärzte regelmäßig CROMs erhoben. Diese umfassen postoperative Schmerzbewertungen, Mobilitätsfortschritte und Heilungsverläufe.

Traditionell werden diese Daten in Krankenakten festgehalten, jedoch mangelt es häufig an einer systematischen Analyse und Nutzung der Informationen zur personalisierten Anpassung der Behandlung und Pflege.

Mit Salesforce erfasst das Pflegepersonal und die Ärzte die CROMs direkt am Patientenbett über mobile Geräte (bspw. Smartphones), die nahtlos in die Salesforce Health Cloud integriert sind. Diese mobile Erfassung ermöglicht es, Daten in Echtzeit zu sammeln und sofort in den klinischen Workflow einzuspeisen.

Salesforce nutzt die erfassten Daten, um Muster und Trends in Frau Müllers Genesungsverlauf zu erkennen. Mithilfe der eingebetteten KI-Tools können Ärzte und Pflegepersonal die Heilungsgeschwindigkeit und den Schmerzverlauf analysieren und vergleichen diese mit anderen ähnlichen Fällen.

Basierend auf den Erkenntnissen aus den CROMs kann das Klinikteam den Behandlungs- und Pflegeplan von Frau Müller dynamisch anpassen und ihr beispielsweise über eine mobile Anwendung auf ihrem Smartphone bereitstellen. Beispielsweise könnte die Schmerztherapie modifiziert oder die Physiotherapie intensiver gestaltet werden, wenn die Mobilitätsfortschritte hinter den Erwartungen zurückbleiben. Oder über die mobile Applikation eine Reha Experte miteinbezogen werden.

Die individualisierten Behandlungsschritte führen zu einer schnelleren Genesung und einer höheren Patientenzufriedenheit, da die Pflege- und Behandlungspläne genau auf die Bedürfnisse und den aktuellen Zustand von Frau Müller zugeschnitten sind.

Da die Klinikreform die Übererfüllung von Qualitätsmerkmalen finanziell belohnt, bietet die effiziente Datenerfassung einen erheblichen Anreiz für Krankenhäuser. Zusätzlich eröffnet die digitale Verfügbarkeit der Daten, etwa durch ICD-10- oder OPS-Codierungen, weitere Potenziale: Mit Frau Müllers Einverständnis könnten diese Daten anonymisiert für Forschungszwecke verwendet werden, wodurch eine zusätzliche Einnahmequelle für die Klinik erschlossen werden könnte.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Einführung von Cloud-Technologien im klinischen Datenmanagement stellt einen bedeutenden Schritt zur Modernisierung des deutschen Gesundheitswesens dar. In Anbetracht der bevorstehenden regulatorischen Anforderungen, wie der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle ab 2025 und den Vorgaben der NIS-2-Richtlinie, wird der Übergang zu cloudbasierten Lösungen unausweichlich. Die Analyse zeigt, dass Cloud-Technologien nicht nur die Herausforderungen im Bereich der Datensicherheit und Interoperabilität adressieren können, sondern auch das Potenzial haben, die Effizienz und Qualität der Gesundheitsversorgung signifikant zu verbessern.

Durch den Einsatz von Plattformen wie Salesforce, die umfassende Sicherheitsstandards und flexible Integrationsmöglichkeiten bieten, können Kliniken die Erfassung, Analyse und Anwendung von Gesundheitsdaten erheblich optimieren. Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit, spezifische Gesundheitsdaten systemübergreifend zu integrieren und in den klinischen Workflow zu überführen. Dies ermöglicht eine personalisierte, datengestützte Medizin, die sowohl den Patientennutzen maximiert als auch die wirtschaftlichen Ziele der Kliniken unterstützt.

In den kommenden Jahren wird sich der Druck auf Krankenhäuser, moderne IT-Infrastrukturen zu implementieren, weiter verstärken. Die Kombination aus gesetzlichem Zwang und den sich abzeichnenden wirtschaftlichen Vorteilen macht deutlich, dass Kliniken gut beraten sind, frühzeitig in cloudbasierte Lösungen zu investieren. Die Nutzung solcher Technologien wird es ermöglichen, nicht nur den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden, sondern auch von neuen Einnahmequellen, wie der Nutzung anonymisierter Patientendaten für Forschungszwecke, zu profitieren.

Zukünftig könnte die Cloud-Technologie darüber hinaus zur Basis für die Einführung weiterer innovativer Ansätze im Gesundheitswesen werden, wie etwa der Integration von Künstlicher Intelligenz zur Prognose von Krankheitsverläufen oder der Nutzung von Big Data für die Entwicklung präziserer Behandlungsmethoden. Kliniken, die diesen Wandel proaktiv gestalten, werden nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern, sondern auch eine Vorreiterrolle bei der Transformation des Gesundheitssystems übernehmen.

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Wenn Sie IT-Unterstützung bei der Optimierung Ihrer Klinikprozesse benötigen, dann kontaktieren Sie uns gerne. Wir haben das entsprechende Prozessknowhow und die Erfahrung. In einer kostenlosen Websession können wir über Ihre Herausforderungen und Anforderungen sprechen.

Marcel Seer

Marcel Seer

Mein Name ist Marcel Seer und ich bin begeisterter Online Marketing Manager bei mindsquare. Wie meine Kollegen habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht.

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